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Empörung: separierte Sommerferien für Jungs und Mädchen

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Irgendwo im Netz hab ich das aufgeschnappt, leider weiß ich nicht mehr wo und auch nicht, wie hoch die Empörungswellen schwappten. Hoch wurden sie bestimmt, denn das „nur für Jungs, speziell für Mädchen“- Thema ist ein ergiebiges, ist man auf der Suche nach hochgekochten Emotionen. Ich bin da etwas zwiegespalten, denn selbstverständlich erschließt sich mir nicht der Sinn, warum Farben einem Geschlecht zugeschrieben werden und weswegen Schokoladeneier, Chips und Gewürzgurken je nach Verpackungsfarbe und – Beschriftung Jungen/Mädchen/Frauen/Männern zugeordnet werden. Das ist bescheuert. Nicht weniger bescheuert ist es aber halt auch, wenn man sich daran hält und ich frage mich, ob die Modeindustrie „rosa ist pfui für Jungs“ sagt, weil sie sich das so ausgedacht hat oder reagiert sie darauf, weil das eben durch die Generationen getragen wird? Und schimpft man da auf die Modeindustrie oder versucht halt einfach sein eigenes Ding zu machen, ohne großes Gewese? Es ist kompliziert.

Für mich überhaupt nicht kompliziert ist die Trennung in Jungen- und Mädchenfreizeit in den Sommerferien. Träger ist der CVJM, der ja nun nicht mehr der „Christliche Verein junger Männer“ sondern der „Christliche Verein Junger Menschen“ ist und bis auf das „christlich“ kann man da ja nicht meckern.

Unsere Kinder fahren seit vielen Jahren mit in diese Freizeiten. Zuerst als Teilnehmer, später als Betreuer, dieses Jahr leitet und organisiert der Große die Jungenfreizeit, die Tochter hatte diesen Job letzten Sommer in der Mädchenfreizeit.

Die Jungenfreizeit dauert 12 Tage. Es wird gezeltet, mit kaltem Wasser geduscht und selbst gekocht. Traditionell übernehmen die Küchendamen das Küchenzelt. (atmen, weiterlesen!)

Die Mädchenfreizeit dauert acht Tage. Sie findet in einem Selbstversorgerhaus statt, mit nicht luxuriöser aber ausreichender sanitärer Ausstattung. Es wird selbst gekocht. Hier übernehmen, genauso traditionell, die Küchenherren den Job. 

Die Tochter ist mit großer Begeisterung Küchendame, die Söhne fügten sich quasi in ihr Schicksal, hatten aber Spaß.

Die Tochter hat mehrfach angeregt, die Mädchenfreizeit ebenfalls als Zeltlager zu konzipieren, doch dabei stieß sie immer wieder auf Widerspruch seitens der Eltern, die dies ihren Töchtern (ab acht Jahre alt) nicht zutrauen in Zelten zu schlafen. Und auch die eine oder andere Mitarbeiterin war nicht für das Outdoorleben zu begeistern. Das ist schade, aber eben nicht zu ändern. Letztlich ist es aber auch egal, denn wie in der Jungenfreizeit auch, finden Wanderungen statt, werden Wettkämpfe ausgetragen, es gibt Frühsport, Lagerfeuer, Nachtwanderungen, Mutproben und weil das ganze eben vom CVJM getragen wird: Andachten. Sowohl die Mädchen- als auch die Jungenfreizeit stehen unter einem Motto, nach dem sich Spiele und Basteleien richten.

Warum ist es dann so toll, dass diese Freizeiten nach Geschlechtern getrennt werden? Das ginge doch auch anders?! Ginge es und es geht gut. Das weiß ich, weil ich selbst zwölf Jahre lang Freizeiten betreut und geleitet habe. Zeltlager mit 50 Mädchen und Jungen von acht bis 13 Jahren. Zwei Wochen lang. Ein riesengroßer Spaß, ein gigantischer Stress und eine ergiebige Quelle für „Mutti erzählt, wie die Kinder früher drauf waren.“

Die Geschlechtertrennung in den Freizeiten ist ein großer Segen, weil ein ganz großer Punkt wegfällt: der Liebeskummer. Wenn Sie 30 vorpubertäre und mittendrinpubertäre Kinder und Jugendliche knapp zwei Wochen lang jeden Abend singend an ein prasselndes Lagerfeuer setzen, dann passiert irgendetwas mit den Hormonen. Alle verlieben sich kreuz und quer und gehen miteinander oder vielleicht doch nicht. Zwei Jungs und drei Mädchen sind die absoluten Stars und es gibt auch immer die, die es eben nicht sind. Die aber auch Hormone haben. Und dazwischen die Vorpubertären, die nicht so genau wissen, was da abgeht, die aber irgendwie mitmachen und sei es nur, um Liebesbotschaften von links nach rechts zu tragen. Und irgendwann brodelt die ganze Freizeit nur noch wie eine Disco an der Costa Brava und alles das, was eigentlich Spaß macht, ist Nebensache. 

Das ist auch toll, aber anders … ist es klasse.

Die Jungen- und Mädchenfreizeit kenne ich nur aus Erzählungen, von Bildern und dem halbstündigen Film, der jedes Jahr gedreht wird.

Die Jungen starten ihre Freizeit damit, dass sie ihre Betten bauen müssen. Das Zeltlager ist so weit aufgebaut, das erledigen die Betreuer (= die Fürsten) bereits bevor die Teilnehmer anreisen. Aus Latten werden Unterlagen für Isomatte und Schlafsack gezimmert, außerdem eine kleine Ablage für Krusch, Kram, Krempel und die Zahnbürste. Und dann lebt man da einfach zusammen mit dreißig anderen Jungen, Jugendlichen und jungen Männern. Es gibt Frühsport mit nacktem Oberkörper, es wird im Wald gepinkelt, wer wasserscheu ist, wird geduscht. Es wird zusammen gegessen und es gibt einen Nachschlag. Das ist wichtig, denn wer den ganzen Tag draußen ist, hat immer Hunger. Wer den ganzen Tag rennt, noch mehr. Es wird Indiaca gespielt, manchmal auch Fußball. Immer wieder bilden sich „Sauhaufen“ = einer liegt unten, zehn anderen stapeln sich obendrauf. Es wird gerungen und gekämpft und gewetteifert. Zwei Paar kurze Hosen, drei T-Shirts und zwei Unterhosen reichen und Socken braucht man nur, damit die Eltern nicht allzu sehr von den schwarzen Füßen geschockt sind.

Was da in dieser Freizeit läuft, ist nicht ganz das, was wir daheim so leben. Gegenseitiges Übertrumpfen, „ich bin größer, stärker, toller als du“- Geprahle, rülpsen, furzen … fällt eher in die „nicht unbedingt“ -Rubrik. Im Zeltlager darf man das. Im Zeltlager darf man das machen, was man als Jungenkram bezeichnen würde, wenn man das noch so bezeichnen dürfte. Und man darf es tun, ohne dass irgendjemand „leise, nicht so wild, nehmt Rücksicht, halt dich zurück“ fordert.

In der Mädchenfreizeit ist das übrigens genauso, nur in einem Haus mit Badezimmer.

Warum dann nicht zusammen? Weil es toll ist, einfach mal völlig unbefangen mit (neuen) Freunden, bzw. Freundinnen zu leben.  Mädchen unter sich, Jungen unter sich. Ohne Konkurrenz und Imponiergehabe, ohne  Eitelkeit und Anmache. Weil Mädchen sich dann tatsächlich mehr (zu)trauen und weil Jungen sich ausleben dürfen. Und gerade Letzteres finde ich, mich extrem weit aus dem Fenster lehnend, so wichtig, weil sie vor lauter „Mädchen können das auch“ garnichts Eigenes mehr haben. Das Zusammenleben, Rücksichten nehmen und „gleich sein“ können sie dann im Alltag wieder haben.

Stoff für mindestens einen weiteren Artikel, ich finds ja toll, dass Sie überhaupt bis hier durchhielten. 


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